SERVICE

Tyrosinkinase-Inhibitoren bei Schilddrüsenkrebs

Wie der Name schon verrät, hemmen diese Arzneimittel, die Wirkweise der Tyrosinkinasen – die Enzyme fungieren für Zellen als entscheidende Signalempfänger und ‑übermittler. Sie liegen entweder eingebettet in der Zellwand oder befinden sich im Zellplasma und steuern ähnlich wie ein An- und Ausschalter das Wachstum, die Teilung und schließlich auch das Überleben einer Zelle. Im Falle einer Krebserkrankung kann es durch Mutationen und dadurch veränderte Eigenschaften der Tyrosinkinasen zu einer unkontrollierten Beschleunigung dieser Prozesse in den Tumorzellen kommen. Die Folge sind gesteigertes Wachstum, eine vermehrte Teilung sowie das Auswandern dieser Tumorzellen an andere Orte des Körpers, die sogenannte Metastasierung. Auch auf die Versorgung der Krebszellen mit Blutgefäßen haben Tyrosinkinasen Einfluss. Denn Tumorzellen senden selbst Signale an die Enzyme, um die versorgenden Blutgefäße zu stimulieren – ein für Tumorzellen günstiger Kreislauf. Um diesen zu durchbrechen, kommen Tyrosinkinase-Inhibitoren zum Einsatz und hemmen die Enzyme. In jüngster Vergangenheit hat die Krebsforschung, insbesondere bei Schilddrüsenkarzinomen, sehr spezifische Tyrosinkinase-Inhibitoren entwickelt.

Anwendung und Langzeitwirkung der Inhibitoren

Für die Therapie gibt es zwei Arten von Tyorsinkinase-Inhibitoren: Die unselektiven Wirkstoffe, die an mehreren Stellen der Tyrosinkinase angreifen, und die hochselektiven Inhibitoren, die nur eine Stelle der Enzyme als Ziel haben. Zugelassen sind Medikamente für die Behandlung von fortgeschrittenem differenziertem Schilddrüsenkrebs, bei einem Fortschreiten der Erkrankung trotz Radiojodbehandlung sowie beim fortgeschrittenen medullären Schilddrüsenkarzinom.

Der Einsatz der Medikamente führt im besten Falle zu einem Absterben, zumindest jedoch zu einem Wachstumsstopp der Tumorzellen. In Studien konnten die Tyrosinkinase-Hemmer die Zeitspanne, in welcher die Tumore kein weiteres Wachstum zeigen, verlängern. Allerdings weisen alle Tumorgewebe im Verlauf eine Resistenzentwicklung gegen diese Therapien auf. Früher oder später kommt es also zu einem Wirksamkeitsverlust – wann ist jedoch ganz individuell. Um die Patientin oder den Patienten bestmöglich zu behandeln, sollte die mutierte Tyrosinkinase in der Krebszelle genau analysiert werden. So ist sichergestellt, dass ein speziell zugeschnittener Tyrosinkinase-Inhibitor gefunden werden kann, der die richtige Wirkung erzielt.

Nebenwirkungen von Tyrosinkinase-Inhibitoren

Im Allgemeinen ist die Verträglichkeit dieser Krebsmedikamente besser als die von klassischen Chemotherapien. Doch auch hier können Nebenwirkungen wie starke Müdigkeit beziehungsweise Fatigue, Hautausschlag oder Hautablösungen an den Hand- und Fußflächen, Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Durchfall auftreten. Diese Komplikationen führen meist zu einer Dosisreduktion, mitunter aber auch zum Abbruch der Behandlung. Unselektive Tyrosinkinase-Inhibitoren verursachen meist mehr Nebenwirkungen als die hochselektiven Vertreter.1

Die Zukunft der Tyrosinkinase-Inhibitoren

Insgesamt betrachtet hat die Einführung dieser Arzneimittel in der Krebstherapie die Überlebenszeit und gleichzeitig die Lebensqualität unter einer Vielzahl von Tumorerkrankungen verbessert. Zukünftige Entwicklungen in der Krebsforschung sind darauf ausgelegt, für möglichst viele Krebsarten weitere Tyrosinkinase-Inhibitoren mit hochpräziser Wirkung zu entwickeln. Dabei sollen gesunde Zellen geschont und die Wirksamkeit weiter verbessert werden.

Autor:
Priv.-Doz. Dr. med. habil. Stefan Karger
Niedergelassener Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie, Osteologie DVO, Leipzig

Prof. Dr. med. P. E. Goretzki

Das könnte Sie ebenfalls interessieren:

Langzeitwirkung von Checkpoint-Inhibitoren auf die Schilddrüse

 

Quellen:

  1. Huang L et al. Tyrosine kinase inhibitors for solid tumors in the past 20 years (2001-2020). J Hematol Oncol. 2020 Oct 27;13(1):143. doi: 10.1186/s13045-020-00977-0.
  2. Kempe, S., Führer-Sakel, D. Moderne TKI-Therapie: zielgerichtet Rezeptortyrosinkinasen abschalten. Im Fokus Onkologie 24, 37–40 (2021). https://doi.org/10.1007/s15015-021-3378-6

Letzte Aktualisierung: 08.03.2024